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CDU
14.11.2001, Plenarrede, Chemiestandort sichern

Hubert Schulte (CDU): "Herr Präsident! Meine Damen und Herren!

Herr Dr. Kasperek hat vorhin das SPD-Positionspapier angeführt. Es erscheint mir schleierhaft, wie sie die Kurve bekommen haben, unseren Antrag jetzt ablehnen zu wollen. Übrigens hatte ich das Empfinden, dass 80% Ihrer Rede Ihrem Koalitionspartner und speziell Frau Höhn galten.

Wir alle sind der Meinung - das wird immer wieder bestätigt -, dass die Chemieindustrie eine der wichtigsten Branchen hier in Nordrhein-Westfalen ist. Das gilt nicht nur für die großen Unternehmen wie Bayer und Henkel, sondern auch für eine Vielzahl mittelständischer Unternehmen, die Arbeitsplätze bieten und damit die Existenz vieler nordrhein-westfälischer Familien sichern. Insofern ist es schon verwunderlich, dass die Landesregierung nicht versucht hat, bei der EU Einfluss auf diese Entwicklung zu nehmen. Das war zumindest nicht erkennbar.

Wir haben das Europaministerium und verstehen dessen Aufgabe so, dass sich auf der EU-Ebene abzeichnende Entwicklungen frühzeitig beobachtet und Informationen darüber nach Düsseldorf gegeben werden, damit die Landesregierung und der Landtag entsprechend aktiv werden können. Wir können nicht erkennen, dass diese Aufgabe erfüllt wurde. Herr Remmel, wenn hier einer gepennt oder - wie Sie es ausgedrückt haben - geschlafen hat, dann doch sicherlich die Landesregierung. Daher können Sie uns daraus, dass wir dieses Thema aufgreifen, keinen Vorwurf machen.

Den Nachteil hat unsere Chemieindustrie. Wie das auch anders geht, zeigen diejenigen Bundesländer, die ebenfalls entsprechende Chemiestandorte haben, z. B. die Bundesländer Rheinland-Pfalz und Sachsen-Anhalt. Die Ministerpräsidenten dieser Länder haben sich gegen den Vorschlag der EU ausgesprochen. Übrigens tragen auch die Abgeordneten der SPD in Rheinland-Pfalz diesen Vorschlag nicht mit. Anscheinend ist man sich dort der Tragweite und der Wirkung für die dort angesiedelte chemische Industrie bewusst. Wo bleibt eigentlich das Votum unseres Ministerpräsidenten? An welcher Stelle hat er sich öffentlich dazu geäußert?

Das ist zumindest uns nicht bekannt.

Meine Damen und Herren, wir sind für besseren Umweltschutz und die Erhöhung der Sicherheit unserer Bürgerinnen und Bürger. An den Stellen, an denen diese Ziele erreicht werden, sind auch die höheren Kosten vertretbar, ebenso mehr Bürokratie. Doch wo ist diese Wirkung bei den angestrebten Veränderungen zu erwarten? Was geschieht denn eigentlich? - Es gibt einen zusätzlichen hohen bürokratischen Aufwand. Der wird für die nordrhein-westfälische Chemieindustrie deutlich höher sein als für die außereuropäischen Unternehmen. Die Konkurrenten außerhalb der EU werden dadurch deutlich besser gestellt. Höherer Aufwand ist auch mit höheren Kosten verbunden; höhere Kosten führen automatisch dazu, dass eine Wettbewerbsverzerrung eintritt. Langfristig führt diese Wettbewerbsverzerrung dazu, dass die Arbeitsplätze verlagert werden, und zwar nicht innerhalb Deutschlands, sondern in außereuropäische Länder. Die großen Unternehmen verlegen ihre Aktivitäten, während die kleinen kaputt gehen und vom Markt verschwinden. Kann das Ziel einer verantwortungsvollen Politik sein?

Wir meinen, nein.

Meine Damen und Herren, es ist auch nicht zu erkennen, das durch den enormen Bürokratismus der Umweltschutz gestärkt wird. Allein durch bürokratischen Aufwand wird der Umweltschutz nicht verbessert. Sonst erheben wir immer den Anspruch, dass gerade hinsichtlich von Umweltfragen der globale Ansatz zu werten ist und wir global denken müssen.

Worin liegen die Verbesserungen, wenn die Firmen aus Deutschland und aus Europa in Länder außerhalb Europas abwandern und dort forschen, entwickeln und produzieren, wo deutlich niedrigere Umweltstandards gelten als hier bei uns? Wollen wir denn tatsächlich Risiken, die zugegebenermaßen bei jeder Technik vorhanden sind, auslagern? Unserer Meinung nach darf nicht das Motto gelten: Aus den Augen, aus dem Sinn. Vielmehr müssen wir dafür sorgen, dass wir hier in unserem Land, in Nordrhein-Westfalen entsprechende Voraussetzungen schaffen und erhalten, damit auch die Firmen hier bleiben. Wir müssen darauf hinwirken, zunächst einmal einige unserer europäischen Kollegen auf die deutschen Umweltstandards zu verpflichten. Das muss Ziel einer verantwortungsvollen Umweltpolitik sein. Wenn das gelingt, dann bleiben die bestehenden Arbeitsplätze hier und werden möglicherweise, was wir besonders wünschen, auch hier in Nordrhein-Westfalen neue Arbeitsplätze errichtet werden. Wir werden die Zukunft der Chemieindustrie auch weiterhin fördern.
Wir halten es auch für sinnvoll, innerhalb Deutschlands gleichzeitig klare, eindeutige Vorgaben zu haben. Diese Vorgaben sollten nicht durch zusätzliche Forderungen von Ihnen, Frau Ministerin, heraufgesetzt werden.

Man gewinnt langsam den Eindruck, dass Sie - egal, um welches Thema es geht, bei dem Sie mitsprechen können - auf Deibel komm raus einen oben draufsetzen, um in der Öffentlichkeit die entsprechende Resonanz zu erzielen. Dafür ist sicherlich bei einem solch wichtigen Thema kein Platz.

Wir wünschen uns, dass hier in Nordrhein-Westfalen keine Arbeitsplätze durch dieses Weißbuch, durch diesen Anspruch, durch diese Bürokratisierung verloren gehen.

Meine Damen und Herren, fassen wir zusammen: Außer einem höheren bürokratischen Aufwand, einer Verringerung der Wettbewerbsfähigkeit und der Gefährdung von Arbeitsplätzen in der chemischen Industrie bringt diese Veränderung unserer Meinung nach nicht.

Herr Dr. Kasperek, Sie sind anfangs Ihrer Rede darauf eingegangen, dass Sie den Anspruch auf Arbeit und Umwelt erheben würden. Dem stimmen wir so zu. Lassen Sie uns daher gemeinsam diesen Antrag beschließen, damit es nachher nicht heißt: Umwelt ohne Arbeit. - Wir bitten um Ihre Zustimmung."