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CDU
12.05.2004, Plenarrede, Ausbildungssituation, 'Von der Schule in die Leere ?'

Herr Präsident! Meine Damen und Herren!

Herr Minister Schartau hat gerade gesagt, dass wir zurzeit aufgrund der veränderten Anzahl von Schulabgängern eine besondere Belastung haben. Richtig ist, dass wir bereits einige Jahre einen deutlichen Rückgang der Zahl der Ausbildungsplätze haben. Daher wird es durchaus möglich sein, dass wir auch heute noch eine entsprechende Bugwelle von Jugendlichen vor uns herschieben, die bisher in anderen Bereichen geparkt worden sind.

Im Interesse der Jugendlichen macht es aber auch keinen Sinn, sich jetzt nur mit Schuldzuweisungen aufzuhalten. Wir sollten vielmehr auch die Punkte ansprechen, die aus unserer Sicht verändert werden müssen, und vielleicht auch die Ursachen für den Rückgang der Zahl der Ausbildungsplätze herausfinden.

Wir haben einen deutlichen Rückgang im öffentlichen Dienst festzustellen. Das ist in der Antwort der Landesregierung zu lesen. Was könnte der Grund dafür sein? Das liegt sicherlich an der Finanzknappheit in den öffentlichen Haushalten. Ein Grund ist aber auch die Furcht, nach erfolgter Ausbildung den Ausgebildeten nicht übernehmen zu können, weil die Personalkosten dann die entsprechenden Budgets überstiegen. Dabei spielt sicherlich auch die Tatsache eine Rolle, dass einige Ausbildungen im öffentlichen Dienst in der Privatwirtschaft anschließend nicht verwertbar sind. Hier wäre ein Ansatz, die Berufsbilder zu verändern, so dass auch die öffentliche Hand über den Bedarf hinaus ausbilden kann, ohne dass der Umstand anschließend nur die Möglichkeit einer Beschäftigung im öffentlichen Dienst zu haben, eine Rolle spielt.

Auch in Handel und Industrie ist ein deutlicher Rückgang der Ausbildungsplätze zu verzeichnen. In der Antwort der Landesregierung heißt es auch, dass die wirtschaftliche Situation eine bedeutende Rolle spielt. Das ist klar, aber das ist nicht der einzige Punkt. Sprechen Sie einmal mit Unternehmern und Ausbildern, und zwar nicht nur mit denen von 1960, sondern mit denen von heute. Dann bekommen Sie klar und deutlich gesagt, dass das Niveau derjenigen, die einen Ausbildungsplatz suchen, gesunken ist.

Da spreche ich aus eigener Erfahrung. Vor rund 20 Jahren habe ich in einem mittelständischen Unternehmen Elektriker ausgebildet. Unser Chef war damals der Meinung, es müsse ein Einstellungstest gemacht werden. Dieser war, wie bei mittelständischen Unternehmen üblich, nicht besonders hochwertig. Es ging darum, eine Fläche auszurechnen und eine leichte Dreisatzaufgabe zu lösen. Ich habe mich über diesen Test amüsiert, aber die Ausbildungsbewerber waren damals in der Lage, eine solch kleine Aufgabe zu lösen. Es kam nur selten vor, dass jemand den Test aus Nervosität oder tatsächlich aus Unkenntnis nicht geschafft hat. Im letzten Herbst habe ich – wie wahrscheinlich viele andere Kolleginnen und Kollegen auch – bei Unternehmen dafür geworben, zusätzliche Ausbildungsplätze bereitzustellen. Sie glauben nicht, wie oft ich gehört habe: Ich habe keine Zeit dazu, den „Stiften“ erst einmal das Rechnen beizubringen. Ich habe mir die Zeit genommen, an einem solchen Test mit drei Bewerbern teilzunehmen. Siehe da: Einer konnte keinen Dreisatz und ein anderer konnte keine Fläche ausrechnen. Nicht alle drei, aber zwei konnten also einfachste Aufgaben nicht lösen.

Das ist für mich ein Zeichen, dass in den letzten 20 Jahren der Wissensstand der Lehrstellenbewerber deutlich gesunken ist. Doch die mangelhafte Schulausbildung ist nicht die einzige Ursache. Aus meiner Sicht ist das Festhalten an starren theoretischen Ausbildungsbereichen ein gravierender Punkt. Sie haben vorhin Großbetriebe mit eigener Lehrwerkstatt angeführt, die meist noch extra einen Lehrer für den theoretischen Teil eingestellt hatten.

Eine erhebliche Anzahl von Berufen erfordert heute eine ganz andere theoretische Ausbildung. Ich nenne den Beruf des Energieelektronikers, von dem ich die meiste Ahnung habe. Die theoretischen Anforderungen, die hier gestellt werden, sind ohne eine zusätzliche theoretische Ausbildung in den Betrieben nicht umsetzbar. Weil sich das viele Betriebe nicht erlauben können, führt das zum Wegfall dieser Ausbildungsplätze. Wir müssen uns darüber unterhalten, wie wir das lösen können.

Selbstverständlich sind gerade in wirtschaftlich nicht so rosigen Zeiten die Ausbildungsvergütungen ein zu diskutierender Punkt. Ich nenne als Beispiel die Bauwirtschaft. Als die Bauwirtschaft hervorragend florierte, sind dort Tarifabschlüsse getätigt worden, die für die Auszubildenden im Vergleich zu anderen deutlich höhere Ausbildungsentgelte vorsahen, als es heute bei der Flaute in der Bauindustrie noch vertretbar ist. Auch das führt dazu, dass Ausbildungsplätze wegfallen.

Wir sollten uns auf die Punkte konzentrieren, die wir in der Verantwortung des Landes verändern können. Dazu zählen die Schulbildung, die theoretische Berufsausbildung im heutigen Berufskolleg und das Berufsbild im öffentlichen Dienst. Wenn wir diese Reformen angehen, wird es noch einige Jahre dauern, bis sich das auf dem Ausbildungsmarkt tatsächlich bemerkbar macht. Wenn wir es nicht angehen, können wir demnächst den Obertitel des FDP-Antrages „Von der Schule in die Leere?“ – mit zwei e – in verschärfter Form fassen und das Fragezeichen weglassen. Ich bin dafür, die Reformen anzugehen, um demnächst wieder „Lehre“ mit „h“ schreiben zu können. – Vielen Dank.